Es war einer dieser Abende, die sich für immer einprägen – warmes Licht, der Duft von gegrilltem Gemüse, frische Pasta alla Norma und das leise Klirren von Gläsern in einer kleinen sizilianischen Trattoria. Wir saßen zusammen, irgendwo am Rande von Catania, als ich – neugierig wie immer – die Bedienung nach etwas Schärfe fragte. „Un po’ di olio piccante, per favore?“
Sie lächelte, verschwand kurz – und stellte dann eine kleine Flasche auf den Tisch. Ich tauchte ein Stück Brot hinein, nahm einen Bissen – und war im nächsten Moment komplett wach. Dieses Öl hatte es in sich: aromatisch, kraftvoll, mit einer lebendigen, klaren Schärfe, die nicht bloß betäubte, sondern den Gaumen zum Tanzen brachte. Ich war sofort fasziniert.
Natürlich fragte ich nach. Welche Chili hatte diesem Öl diesen unverwechselbaren Charakter gegeben?
Die Antwort kam mit einer Geschichte: von ihrem Großvater, der am Fuße des Ätnas, in einem kleinen Ort namens Fleri, seit Jahrzehnten seine eigenen Chilis kultivierte – Etna Sicilian Chilis, wie sie sie nannte. Es war keine Massenware, sondern eine von Hand gepflegte Sorte, gewachsen auf vulkanischem Boden, mit Sonne und Wind, und so viel Geduld, wie es eben braucht, bis eine Pflanze ihr ganzes Aroma entfaltet.
Ich war so begeistert, dass ich sie um ein paar Samen bat. Ohne zu zögern schenkte sie mir eine kleine Handvoll – ein sizilianisches Versprechen in trockener Form. Und ich versprach mir selbst: Eines Tages werde ich diese Chilis anbauen. Nicht irgendwo – sondern in unserer Heimat, in Schünow, wo der Boden anders, das Klima rauer, aber der Wille zum Gärtnern groß ist.
2024 war es dann so weit. Ich holte die jahrelang gehüteten Samen hervor, säte sie aus – und beobachtete mit einer Mischung aus Hoffnung und Staunen, wie sich zarte grüne Triebe ihren Weg ans Licht bahnten. Die Pflanzen entwickelten sich erstaunlich gut. Offenbar gefiel ihnen der märkische Wind, der Wechsel von Sonne und Sommerregen – oder vielleicht trugen sie noch ein Stück Ätna in sich, das ihnen half, hier Wurzeln zu schlagen.
Die erste Ernte war klein, aber voller Charakter. Die Schärfe? Noch immer ein kleines Inferno. Das Aroma? Unverwechselbar. Und so haben wir 2024 zum ersten Mal genügend Samen geerntet, um diesen besonderen Chili weiterzugeben – und damit auch ein bisschen sizilianisches Lebensgefühl.
Vielleicht ist es nur eine kleine Geschichte über ein paar getrocknete Samen. Aber für uns ist sie der Beginn von etwas Größerem: ein kulinarisches Band zwischen den Ausläufern eines Vulkans und einem brandenburgischen Garten. Und wer weiß – vielleicht entsteht aus diesem Olio piccante eines Tages eine ganz neue Schärfe-Tradition. Nicht am Rand des Ätna, sondern in Schünow.
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