Die Hissen-gata Chawan ist eine Hommage an die Bewegung. „Hissen“ (筆線) bedeutet wörtlich „Pinselstrich“ – und genau so sieht diese Schale aus: wie aus einem einzigen flüssigen, rhythmischen Strich geformt.
Sie symbolisiert die Verbindung von Teezeremonie und Kalligraphie, zwei Künsten, die im japanischen Denken oft als Schwestern gelten: beide verlangen Konzentration, Geste, Leere und Präsenz.
Form & Charakteristik
Die Hissen-gata hat eine asymmetrisch geschwungene Silhouette, oft mit dynamischer Wölbung, wie von einem Pinsel gezogen. Ihre Konturen sind weich, aber nicht beliebig: Sie folgen einem inneren Rhythmus, einer Richtung.
Typisch sind:
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eine leicht geneigte Wandung, die sich an einer Seite stärker hebt
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ein unregelmäßiger Rand, als sei er durch das Abheben eines Pinsels entstanden
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eine leicht schräg verlaufende Bodenlinie, die Bewegung suggeriert, selbst im Stillstand
Diese Schale ist nicht statisch – sie wirkt lebendig, wie in einem Moment des Übergangs festgehalten.
Historischer Hintergrund
Die Hissen-gata entwickelte sich in der späten Edo-Zeit, vermutlich unter dem Einfluss von Teemeistern, die zugleich Kalligrafen waren. In jenen Kreisen wurde der Akt des Teeschlagens mit dem Setzen eines Kanjis verglichen: beide erforderten inneres Gleichgewicht, Atemkontrolle und Hingabe an den Moment.
Solche Schalen waren nicht für formelle Schulen gedacht, sondern für expressive Teemeister, die den Teeweg als Kunstform verstanden.
Materialien & Glasur
Die Hissen-gata wird oft in Werkstätten gefertigt, die eine Affinität zur Formfreiheit zeigen:
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Karatsu-Ware mit eisenfleckiger Glasur
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Raku-Yaki mit matter, oft gebrochener Oberfläche
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Modernere Interpretationen in Bizen oder Hagi mit natürlichen Brennspuren
Die Glasur ist meist teilweise verlaufend, offenbart Struktur und Bewegung, folgt der Geste der Form. Der Kōdai (Fuß) ist häufig unregelmäßig oder versetzt.
Funktion & Bedeutung
Die Hissen-gata eignet sich sowohl für Usucha als auch für Koicha – je nach Tiefe der Wandung. Ihr Ausdruck jedoch macht sie ideal für:
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informelle Teezeremonien mit künstlerischem Anspruch
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Begegnungen mit Kalligrafen, Künstlern oder Philosophen
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Tee im Kontext von Ausstellungen oder Performance
Sie ist weniger ein klassisches Gefäß als ein Objekt zwischen Funktion und Geste.
Symbolik & Wirkung
Diese Schale verkörpert Fluss, Ausdruck, Individualität. Sie ist für Gastgeber, die Tee nicht nur als Ritual, sondern als Moment der kreativen Begegnung verstehen.
Sie steht in enger Verbindung zur Idee von „Hitsuzendō“ – dem Weg des Zen durch den Pinsel. In diesem Sinne ist sie nicht nur eine Schale, sondern auch ein Gedicht in Ton.
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