Japanische Keramik

Sugi-nari Chawan – Die Brunnenform mit Tiefe und Stille

Sugi-Nari Chawan

In einer Zeit, in der viele Formen japanischer Teekultur mit Präzision und Raffinesse verbunden werden, wirkt die Sugi-nari Chawan beinahe roh, urtümlich – und genau darin liegt ihre Kraft. Die auch als „Brunnenform“ bekannte Schale gehört zu den ältesten und geschichtsträchtigsten Typen der japanischen Teeschale.

„Sugi“ (杉) heißt wörtlich Zeder, verweist aber in diesem Kontext eher auf die Assoziation mit natürlicher, vertikaler Struktur – in vielen Überlieferungen wird die Bezeichnung jedoch auch synonym mit der Form der Ido-Chawan verwendet, der legendären Schale aus der Zeit der japanischen Muromachi- und Momoyama-Epoche.

Herkunft und historische Entwicklung

Die Ursprünge der Sugi-nari Chawan reichen zurück bis ins 15. und 16. Jahrhundert, als in Japan erstmals koreanische Reisschalen in den Zen-Tempeln zur Zubereitung von Matcha verwendet wurden. Diese koreanischen Ido-Schalen, ursprünglich ohne jede Absicht für Teegebrauch gefertigt, wurden von den japanischen Teemeistern als Ausdruck von Wabi-sabi geschätzt – jener Ästhetik, die im Unvollkommenen, Rauhen und Einfachen Schönheit erkennt.

Die Sugi-nari entstand als bewusste Hommage an diese frühen Ido-Schalen: hochwandig, leicht konisch, mit massivem, markant abgesetztem Kōdai (Standfuß) und einem inneren Krümmungsverlauf, der an einen tiefen Brunnen erinnert.

Besonders Rikyū, der große Reformator der Teeweg-Philosophie, verehrte diese Form. In seiner Ära wurde sie zum Symbol für Tiefe, Rückzug und das Ablegen von überflüssigem Schmuck.

Form und Funktion

Die Proportionen der Sugi-nari sind ausdrucksstark:

  • Der Durchmesser ist etwas breiter als die Höhe

  • Die Wände verlaufen leicht schräg nach innen und wirken dickwandig

  • Der Innenraum formt sich nach unten stark zur Mitte, was der Schale eine fast trichterartige Tiefe verleiht

Der Fußring (Kōdai) ist hoch, kantig, oft asymmetrisch geschnitten und manchmal grob glasiert – bewusst belassen in seiner handwerklichen Unregelmäßigkeit.

Die Haptik ist erdig, schwer, fast archaisch. Man hält sie nicht – man umfasst sie wie ein Gefäß, das einen Raum trägt.

Herstellung und Glasur

Typischerweise wird die Sugi-nari Chawan aus grob schamottiertem Ton hergestellt, oft in holzgefeuerten Anagama- oder Noborigama-Öfen. Herkunftsregionen wie Iga, Karatsu oder Bizen stehen dabei im Zentrum.

Die Glasuren sind traditionell natürliche Ascheglasuren, oft mit:

  • Yōhen (窯変) – unvorhersehbaren Brennverläufen

  • Kannyu (貫入) – Craquelé-Rissen

  • Hi-iro (火色) – feurigen Verfärbungen durch Flammenkontakt

Manchmal bleibt die Außenseite bewusst unglasiert, nur durch Ascheregen verfärbt – so wie in den ältesten Ido-Schalen.

Symbolik und Gebrauch

Die Sugi-nari ist keine „Alltagsschale“. Sie wird in der Teezeremonie bevorzugt in der Herbst- und Winterzeit verwendet, wenn Stille, Tiefe und Rückzug im Raum stehen. Ihre Form hält die Wärme, verlangsamt das Trinken und richtet den Fokus nach innen.

Sie eignet sich gleichermaßen für Koicha wie auch für ruhige Usucha-Zubereitungen, insbesondere in meditativen Zeremonien.

Das Trinken aus ihr fühlt sich nicht leicht oder flüchtig an – es ist eine Einladung zum Innehalten. Der Blick senkt sich in den tiefen Innenraum. Der Geschmack entfaltet sich langsam.

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